FORCING TUESDAY
2016/18
augmentiertes Acrylbild
110 x 150 cm
Unterstützende Entwicklerin: Elisabeth Thielen
Das großformatige Akrylgemälde Cutting Sunday von Felix Kraus ist Teil einer ganzen Serie moderner Interieurs, die in ihrer Farbigkeit reduziert und in ihrem Aufbau mitunter so kühn geformt sind, dass sie an den künstlerischen Kosmos von M. C. Escher erinnern. Stets zeigen sie nur einen Ausschnitt einer menschen- und möbelleeren Welt, in der scharfkantiger Beton, bebende Wasseroberflächen und bedacht gesetzte Lichtquellen eine kafkaesk anmutende Stimmung hervorrufen. Die gekonnte naturalistische Wiedergabe nur vermeintlich real existierender Innenräume steht in einer langen kunsthistorischen Tradition. Im Werk des Medienkünstlers Felix Kraus ist sie jedoch nicht das Endergebnis, sondern vielmehr der Anfangspunkt eines vielschichtigen Schaffensprozesses mithilfe digitaler Tools. Dieser Prozess kulminierte zuletzt in der Virtual-Reality-Arbeit des von ihm gegründeten Swan Collective mit dem Titel Here we are von 2018: Elemente seiner analogen Malerei verdichten sich darin zu einer in ihrer beengenden Weite ebenso reizvollen wie verstörenden 360°-Innenarchitektur, in der man sich erst einmal zurechtfinden muss – und dazu trägt nicht unbedingt bei, dass parallel eine Stimme aus dem Off so lapidar wie überzeugend vermittelt, man sei nichts weiter als die geistige Schöpfung des Redners, eine künstliche Intelligenz. Die Kunst der Täuschung wird hier auf hohem literarisch-philosophischem Niveau betrieben – der virtuelle Raum mutiert zur Platon’schen Höhle.
Bewegungen und damit einhergehend die zeitliche Dimension lassen sich in der Malerei derweilen nur unzureichend darstellen – der Akt eine Treppe herabsteigend Nr. 2 von Marcel Duchamp aus dem Jahr 1912 ist das wohl berühmteste Zeugnis künstlerischer Auseinandersetzung mit dieser Problematik: Der Maler zerstückelt die Bewegung in statische Sequenzen, die er simultan auf dem Bildträger festhält. Etwas mehr als einhundert Jahre später bietet die digitale Technik neue Möglichkeiten: Mittels Augmented Reality erweitert Felix Kraus sein Akrylgemälde Cutting Sunday um eine zeitliche Ebene, indem er Licht- und Schattenbewegungen in den dargestellten Innenraum einblendet.
Um diesen Effekt zu erzielen, hat Felix Kraus das Motiv seines Gemäldes mithilfe bildbasierter Modellierung als 3D-Szene in Cinema4D nachgestellt. Nach dem Import in Unity erscheint diese Szene nun, wenn Nutzer/innen sein Gemälde mit der dazugehörigen AR-App scannen. Der fast geisterhafte Effekt wandernder Lichter und Schatten über die Wände der 3D-Szene wird durch einen Unity-Shader erzielt, der die Bewegung von Lichtquellen außerhalb des Raumes simuliert, deren Licht durch die transparenten Fenster in den Raum scheint und die Texturen der Szene an den passenden Stellen aufhellt und abdunkelt.
Text: Maja Stark und Elisabeth Thielen
Über den Künstler:
Felix Kraus ist Initiator des Swan Collective und studierte an der Akademie der Bildenden Künste München und der Hochschule für Gestaltung Karlsruhe. Er erhielt das Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes. Die Gruppe vermischt unterschiedliche Techniken wie Virtual und Augmented Reality, Malerei, Papierprägung, Literatur und Performance. Werke des Kollektivs wurden in Institutionen wie dem Kunstmuseum Stuttgart, dem Centro Cultural Banco do Brasil in São Paulo, W139 in Amsterdam, dem Kunstmuseum Aalen, der Kunsthalle Schweinfurt oder dem Goethe Institut in Toronto ausgestellt. Zudem hat Felix Kraus als Mitglied des Swan Collective an verschiedenen Screenings und Ausstellungen teilgenommen, darunter in London, Berlin, Hamburg, Bozen, Athen und Tokio. Beim LOOP Festival Barcelona und dem Filmfest Ludwigsburg wurde er für seine Filme mit dem ersten Platz prämiert.