Cherry Blossoms
2022, interaktive Begegnung mit pflanzlich-digitaler Lebensform in AR
Unterstützende Entwickler:innen: Selina Wernike & André Selmanagić
Pflanzen verfügen über diverse Sinne, die sie zielstrebig nutzen, um ihre Umwelt zu analysieren, mit ihr zu kommunizieren und sie zu ihrem Vorteil zu beeinflussen. Sie verfügen daher auch über das, was unter Intelligenz verstanden werden kann. Ihre Überlebensstrategien sind oft so raffiniert, dass sie seit geraumer Zeit auch Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sind. Allerdings scheint es so, als sei das Wissen um ihre überaus bemerkenswerten Fähigkeiten vielen Menschen unbekannt.
Cherry Blossom setzt hier an, indem die App eine Begegnung mit einer digitalen Pflanze ermöglicht, welche die Sensorik ihres kohlenstoffbasierten Vorbilds teilweise simuliert. Durch Interaktion und Konversation lassen sich dem digitalen Modell Geheimnisse über die Funktionsweise pflanzlichen Lebens und die erstaunlichen Fähigkeiten der Flora entlocken; Attribute, die dem Menschen in der physischen Welt allzu oft verborgen bleiben.
Sowohl in dieser Intention als auch in ihrer sachlich-poetischen Ästhetik kann die Arbeit des Fotografen Rheinländer als zeitgenössische Weiterentwicklung Blossfeldt’scher Pflanzenstudien des frühen 20. Jahrhunderts verstanden werden. „Meine Pflanzenurkunden sollen dazu beitragen, die Verbindung mit der Natur wieder herzustellen“, so Blossfeldt in seinem Bildband Wundergarten der Natur von 1932. Während er dieses Ziel mit Blick auf den Pflanzenaufbau im Medium der Fotografie verfolgte, nutzt Rheinländer ein Jahrhundert später Augmented Reality zur Vermittlung interner Prozesse.
Entstanden ist eine markerlose Anwendung, deren Entwicklung von vielen Experimenten begleitet war, um die vielfältige Sensorik des Devices zu nutzen: Die Kommunikation mit dem Kirschbaum läuft nicht nur über Touch, sondern auch über Bewegung und ein Chat-Fenster mit Speech-to-Text-Funktion. Die Pflanze reagiert dabei rein textuell.
So erzeugt das Schütteln des Smartphones einen Impuls, der entsprechend der Verbreitung von Schallwellen im Boden von der Pflanze über ihr Wurzelwerk wahrgenommen wird. Der Phototropismus, also die Fähigkeit Sonnenlicht wahrzunehmen und sich selbst anhand des Lichts auszurichten, wird durch die zirkulierende Sonne und die sich mit ihr im Einklang bewegenden Äste simuliert. Darüber hinaus schüttet der Baum – sofern hierzu animiert – Duftmolekülen entsprechende Partikel aus, die Pflanzen zur Kommunikation mit Artgenossen und anderen Lebewesen dienen. Durch Berühren der die Pflanze umgebenen “Bubbles“ können zusätzlich Info-Texte angezeigt werden. Die Begegnung endet mit einem stillen Auflösen der Pflanze.
Text: Adrian Rheinländer und Maja Stark