BOTS 03
2019
augmentierter PVC Druck
3 x 3 m
Betreuende Entwickler: André Selmanagić und Michael Droste
Nicht zuletzt in Gestalt ihrer eigenen Avatare bewegen sich Friedemann Banz und Giulia Bowinkel seit geraumer Zeit in computergenerierten Parallelwelten. Eigene Bewegungen im Raum zeichnen sie mit entsprechender Software als Flüssigkeitssimulationen auf, um Computern Input für die Berechnung ihrer digitalen Zwillinge zu liefern, die sich entlang dieser Farbspuren vor- und zurückbewegen lassen. Sie transferieren die digital manipulierten Simulationen als Renderings aus der virtuellen in die analoge Realität, produzieren aber auch Virtual-Reality-Kunst und haben Augmented Reality schon als Tool genutzt, um bei ausgewählten Werken ergänzende inhaltliche Aspekte und Details auf einem virtuellen Layer erfahrbar zu machen.
In ihrer neuesten Serie setzen die Künstler Augmented Reality erstmals in den Mittelpunkt ihrer künstlerischen Arbeit. Alles dreht sich nun um die Frage, wie AR als eigenständige Kunstgattung gedacht werden kann. Einer der zuvor eingesetzten Avatare wurde hierfür überarbeitet und mit einem eigenständigen Verhalten ausgestattet. Seine Entscheidungen werden nun live simuliert. In einer von Banz & Bowinkel kreierten Struktur von Meta-Regeln muss er sich selbst orientieren, vollführt dabei aber unweigerlich eine Performance, die keineswegs von einem eigenen Willen, sondern von den Künstlern dirigiert wird. Ein auf dem Boden liegender, 3 x 3 Meter großer scharfkantig gemusterter Teppich – hier umgesetzt als Vinylprint – dient als Marker, hier „existiert“ eine Anzahl der Avatare und kann durch die AR-Anwendung von Banz & Bowinkel sichtbar gemacht werden.
Wie echte Menschen sind diese Avatare getrieben von Bedürfnissen. Führen bei uns Hunger, Müdigkeit und Hygiene zu aktivem Handeln, wird dies bei den Avataren von mathematischen Formeln bestimmt, wozu eine sogenannte Utility AI herangezogen wird: Potenzielles Verhalten wie „suche Gesellschaft“ oder „vermeide mehr als drei Nachbarn“ haben Scores; basierend auf ständig wechselnden Bedürfnissen und äußeren Faktoren werden diese immer wieder neu berechnet. Das Verhalten mit dem höchsten Score gewinnt, triggert zugleich ein neues Set an Animationen und führt ein entsprechendes Update der Bedürfnisse aus. Während dieses zugrundeliegende Konzept simpel erscheint, war das Herunterbrechen menschlichen Verhaltens in Zahlen und Formeln zeitaufwendig, lieferte aber auch Einsichten in unsere menschlichen Entscheidungsprozesse.
Einige der Animationen, etwa kommunikative Gesten, wurden vorher aufgezeichnet, nutzen Motion-Capturing (z.B. des Online-Tools Mixamo) und werden immer gleich abgespielt. Andere kombinieren zuvor aufgezeichnete Laufanimationen mit Unitys Pathfinding-Algorithmen und erlauben dem Avatar somit, sich freier zu bewegen und enger mit dem Betrachter oder der Betrachterin zu interagieren. Als vermeintlich selbsttätige Maschine ist ein Avatar abhängig von den Entscheidungen seiner Kreatoren – uns Menschen. Entgegen der aktuell großen Begeisterung für maschinenbasierte Entscheidungen denken Banz & Bowinkel, dass der Fokus durchaus mehr darauf liegen sollte, wer diesen Maschinen ihren „Geist“ einhaucht.
Text: Banz & Bowinkel, André Selmanagić und Maja Stark
Über das Künstlerduo:
Giulia Bowinkel bildet zusammen mit Friedemann Banz das Berliner Künstlerduo Banz & Bowinkel. Banz & Bowinkel setzen in ihrer Arbeit auf den Computer als Alltagsgerät und dessen Einfluss auf die menschliche Kultur. Der Fokus liegt dabei auf der Wahrnehmung der Welt, die die Menschen als Realität verstehen und nun über den Computer simulieren. Banz & Bowinkel hinterfragen mit ihrer Arbeit das Konzept der simulierten Realität und damit die menschliche Wahrnehmung der Welt im virtuellen Raum. Die mehrfach ausgezeichneten Werke von Giulia Bowinkel und Friedemann Banz wurden im Museum Abteiberg in Mönchengladbach, im Haus der elektronischen Künste in Basel sowie im Zeppelin Museum in Friedrichshafen ausgestellt.